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Kollision im Kreisverkehr zwischen Fahrzeugen in benachbarten Fahrstreifen

Kammergericht, Urteil vom 29. März 2012 – 22 U 131/11 – (Landgericht Berlin, Urteil vom 20. April 2011 – 42 O 77/10 -)

In einem durch Rechtsanwalt Säverin erstrittenen Urteil hat das Kammergericht heute Folgendes entschieden:

Kommt es in einem Kreisverkehr zwischen zwei in benachbarten Fahrstreifen fahrenden Kfz deshalb zu einer Kollision, weil das eine - im rechten Fahrstreifen fahrende - Kfz im Kreisverkehr verbleibt und das andere - im linken Fahrstreifen fahrende - Kfz aus dem Kreisverkehr ausfährt, so haften die Führer beider Kfz jeweils zu 50 % für den entstandenen Schaden, wenn unmittelbar vor der Ausfahrt keine Pfeile auf der Fahrbahn vorhanden sind, die eine bestimmte Fahrtrichtung vorschreiben; darauf, ob Pfeile woanders als unmittelbar vor der Ausfahrt vorhanden sind, kommt es hierbei nicht an.
Kammergericht, Urteil vom 29. März 2012 – 22 U 131/11 –
(Landgericht Berlin, Urteil vom 20. April 2011 – 42 O 77/10 -)

Im konkreten Fall ging es um einen Unfall im 4-streifigen Kreisverkehr des Jakob-Kaiser-Platzes. Kläger und Beklagter waren von Osten kommend (Goerdeler Damm) in den Kreisverkehr eingefahren. Der Kläger war im dritten Fahrstreifen von rechts gefahren und wollte an der westlichen Ausfahrt (Siemensdamm) aus dem Kreisverkehr ausfahren. Der Beklagte war im zweiten Fahrstreifen von rechts gefahren und wollte nicht ausfahren, sondern im Kreisverkehr verbleiben. An der westlichen Ausfahrt des Kreisverkehrs (Siemensdamm) kam es sodann zur Kollision beider Fahrzeuge.

Das Landgericht Berlin hatte dem Kläger zunächst einen Schadensersatz in Höhe von 100 % zugesprochen. Dessen Urteil vom 20. April 2011 hat das Kammergericht heute aufgehoben und darauf erkannt, dass dem Kläger lediglich ein Schadensersatz in Höhe von 50 % zusteht, da beide Fahrzeugführer den Unfall jeweils zur Hälfte zu verantworten haben:

„Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht trifft den Beklagten […] auch nicht deshalb ein überwiegendes Verschulden an dem im Streit befindlichen Verkehrunfall, weil er seine Fahrt nicht im Siemensdamm fortsetzen, sondern hinter der Einmündung im Kreisverkehr verbleiben wollte, wodurch es zu der Kollision mit dem links versetzt vor ihm fahrenden Klägerfahrzeug gekommen ist, als dieses den Kreisverkehr vom dritten Fahrstreifen aus in den Siemensdamm verlassen wollte. Insbesondere hat der Beklagte zu 1. den Unfall auch nicht deshalb überwiegend verschuldet, weil er entgegen § 41 Abs. 1 StVO gegen das durch Richtungspfeile ausgesprochene Gebot verstoßen hätte, aus dem von ihm befahrenen Fahrstreifen den Kreisverkehr nach rechts in den Siemensdamm zu verlassen.

Zwar war der vom Beklagten […] befahrene Fahrstreifen vor der Ampel im Kreisverkehr mit einem Pfeil nach rechts gekennzeichnet, der vom Kläger befahrene links daneben liegende Fahrstreifen mit Pfeilen, die alternativ sowohl nach rechts als auch nach links zeigten. Jedoch haben diese Pfeile nicht die Bedeutung von Ge- bzw. Verbotspfeilen im Sinne von § 41 Abs. 2 Satz 1 StVO (Zeichen 297). Dazu müssten sie zwischen Leitlinien (Zeichen 340) und dort aufgebracht gewesen sein, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist (vgl. Anl. 2 zu § 41 StVO – insoweit auch BGH Urteil vom 12.12.2006 – VI ZR 75/06, juris Rn. 5). An Letzterem fehlt es hier jedoch.

Ausweislich der eingereichten Lichtbilder, die den Jakob-Kaiser-Platz von oben darstellen, waren die Pfeile zwar vor der Ampel zwischen Leitlinien aufgebracht. Jedoch befindet sich zwischen der Ampel und der Ausfahrt Siemensdamm noch die Einfahrt Kurt-Schumacher-Damm, von der aus Fahrzeuge in alle Fahrstreifen des Kreisverkehrs einfahren und dort verbleiben können, wie sich aus den in diesem Bereich eingezeichneten Leitlinien ergibt. Richtungspfeile sind zwischen diesen Leitlinien nicht angebracht. […] Bei den vor der Einfahrt Kurt-Schumacher-Damm vor der Ampel im Kreisverkehr angebrachten Pfeilen handelt es sich daher um bloße Empfehlungen (vgl. auch KG, Urteil vom 26. Januar 2009 -12 U 255/07, juris Rn. 6 f.NZV 2009, 923).

Allerdings hat der Beklagte […] beim Befahren des Kreisverkehrs hinter der Einfahrt Kurt-Schumacher-Damm, das er über die Ausfahrt Siemensdamm hinaus im Kreisverkehr fortsetzen wollte, seine aus § 1 Abs. StVO folgenden Sorgfaltspflichten verletzt. Er musste damit rechnen, dass entsprechend der alternative Fahrtrichtungen anzeigenden Empfehlungspfeile aus dem linken (dritten) Fahrstreifen neben ihm Fahrzeuge nach rechts in den Siemensdamm abbiegen würden. Auch wenn im Kreisverkehr grundsätzlich das Rechtsfahrgebot des § 2 Abs. 2 StVO gilt und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 StVO die Pflicht des Rechtsabbiegers besteht, sich möglichst weit rechts einzuordnen, haben die Empfehlungspfeile hier im Interesse der Erweiterung des Verkehrsraumes, die Bedeutung, dass der Kreisverkehr auch aus dem dritten Fahrstreifen verlassen werden durfte (so auch KG, a.a.O., juris Rn 8). Hierauf musste sich der Beklagte zu 1. durch besondere Aufmerksamkeit einstellen, wenn er selbst der Empfehlung, was zulässig ist, nicht folgen wollte.

Jedoch hat auch der Kläger seine sich aus § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO ergebende Pflicht verletzt, vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten (so auch KG, a.a.O., juris Rn. 3). Davon durfte er nicht deshalb absehen, weil er davon ausgehen konnte, dass auch der Beklagte […] den Kreisverkehr am Siemensdamm verlassen würde. Vielmehr musste der Kläger, bevor er sein Abbiegemanöver aus dem dritten Fahrstreifen begann, damit rechnen und sein Fahrverhalten darauf einstellen, dass das im zweiten Fahrstreifen rechts versetzt hinter ihm fahrende Fahrzeug […] möglicherweise seine Fahrt im Kreisverkehr fortsetzen würde, was, wie ausgeführt, zulässig war, und sich daher die Fahrtrichtungen beider Fahrzeuge, jeweils den Leitlinien folgend, kreuzen könnten.

Demgemäß hat […] nicht nur der Beklagte […] sondern auch der Kläger gegen ihm obliegende Sorgfaltspflichten verstoßen. Beide Pflichtenverstöße sind in gleicher Weise für das Unfallgeschehen ursächlich. Sie sind daher im Rahmen der gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung die beiderseitigen Verursachungsanteile etwa gleich schwer zu gewichten, mit der Folge, dass jeweils eine hälftige Haftung des Klägers und der Beklagten […] angemessen erscheint (so auch KG, a.a.O. für den dort zu beurteilenden vergleichbaren Fall).“